Dabei handelt es sich um natürliche Entwicklungsphasen – Mamakind oder Papakind? Es gibt Phasen und Situationen, in denen sich Kinder eher einem Elternteil anschließen. Das ist völlig normal und kann ebenso in der Entwicklung wie im Temperament, dem Grad der Bindung und der Interaktion begründet liegen.
Das typische Mamakind
Die Mama ist den ganzen Tag zu Hause und kümmert sich um das Kind. Sie füttert es, wickelt es und spendet Trost, wenn Monster in den Schatten im Kinderzimmer lauern. Der Papa hingegen ist meist den ganzen Tag weg. Zwangsläufig wird die Mutter zur engeren Bezugsperson.
Abends möchte dann der Papa Zeit mit dem Nachwuchs verbringen, sein Kind im Arm halten, es ins Bett bringen. Das Kind wehrt sich und verlangt nach seiner Mama. Der Papa fühlt sich zurückgewiesen, ihm ist klar – gegen die Mama hat er keine Chance, sein Kind möchte von ihm nichts wissen.
Dem ist nicht so. Ein kleines Kind braucht eine vertraute Person, die es versorgt und ihm Sicherheit vermittelt, das ist in diesem Fall aufgrund der äußeren Umstände die Mutter. Genauso kann es sich natürlich umgekehrt verhalten, wenn der Papa sich intensiver kümmert und die Mutter häufiger abwesend ist.
Die Umwelt wird interessanter
Kinder entwickeln sich und möchten die Umwelt erkunden. Das Baby beginnt zu robben und zu krabbeln und möchte seine Neugier befriedigen. Es nimmt seine Umgebung selektiver wahr und stellt fest, da ist noch ein Mensch anwesend, der interessant ist.
Kommt der Papa nun von der Arbeit, nimmt es auf den Arm und kitzelt es, jauchzt es vor Vergnügen. Anschließend krabbelt er vielleicht noch mit ihm auf dem Boden herum. Der Papa ist also jemand, der Spaß macht, mit ihm kann Baby die Welt erkunden, schon ist die Mama abgeschrieben.
Nun fühlt sie sich zurückgesetzt – hat sie sich doch die ganze Zeit aufopferungsvoll um ihr Kind gekümmert und jetzt möchte es nur noch vom Papa ins Bett gebracht werden.
Dabei handelt es sich um eine natürliche Entwicklungsphase. Das Kind löst sich von der ersten Bezugsperson, ist nicht mehr ständig auf den sicheren Hafen angewiesen. Der Papa stimuliert in der Interaktion andere Sinne als die Mama, genau darauf ist es jetzt angewiesen.
Wiederum kann es sich natürlich auch umgekehrt verhalten. Es kommt immer darauf an, wer dem Kind zunächst vertrauter ist, aber auch auf das Temperament der Eltern und des Kindes. Ein eher introvertiertes Kind wird sich länger an der engeren Bezugsperson orientieren, ein extrovertierteres Kind kann sich schneller Neuem öffnen.
Ein ruhigeres Kind findet bei einem ebenfalls ruhigeren, ausgeglichenen Elternteil eher Sicherheit, ein aktives Kind findet an den turbulenteren Spielen des ebenfalls aktiveren Elternteils Gefallen.
Beziehung der Eltern untereinander
Kriselt es zwischen den Eltern, bekommen das bereits kleinste Kinder mit. Intuitiv binden sie sich an einen Elternteil stärker, da sie dessen Sicherheit benötigen. Agieren Eltern gegen- statt miteinander, wissen Kinder das für sich zu nutzen. Sie wenden sich an den Elternteil, von dem sie bekommen, was sie möchten. Das ist weder für ein harmonisches Miteinander noch für die Entwicklung des Kindes förderlich.
Vermitteln die Eltern in ihrem Miteinander hingegen Stabilität, gewinnt das Kind an Sicherheit. Es kann zu beiden ein Vertrauensverhältnis aufbauen und erhält von beiden in unterschiedlichen Situationen die Impulse, die es benötigt.
Geschlechtliche Einflussfaktoren
Mit etwa drei Jahren beginnen Kinder festzustellen, dass es unterschiedliche Geschlechter gibt, und entdecken in den folgenden Jahren auch ihre eigene Zugehörigkeit. Erneut kann das zu einer engeren Orientierung an einem Elternteil führen – diesmal geht es um die psychosexuelle Identifikation.
Nach klassischer Auffassung binden sich Mädchen dann eher an den Papa und Jungs an die Mama, das muss aber nicht sein. Je nach Alter, Charakter und Konstellation kann auch eine gleichgeschlechtliche Bindung erfolgen. Es geht darum, herauszufinden, was das „Mannsein“ und „Frausein“ bedeutet.
Bei der gleichgeschlechtlichen Orientierung erfährt das Kind etwas über die eigene Rolle, mit der es sich identifizieren möchte, bei der gegengeschlechtlichen sucht es die Bestätigung dessen.
Was Eltern tun können
Keinesfalls solltest du dich ausgeschlossen oder ungeliebt fühlen, wenn Ihr Kind sich mehr am anderen Elternteil orientiert, geschweige denn dem Partner Vorwürfe machen. Stattdessen kannst du dein Kind beobachten und sich die jeweilige Entwicklungsphase bewusst machen.
Achte auf die Signale, die es in verschiedenen Situationen aussendet. Bring deine Beobachtungen in Einklang mit der innerfamiliären Struktur und Rollenverteilung, finde schnell heraus, warum sich dein Kind gerade an wen bindet.
Kommuniziere auch mit deinem Partner. Klammert das Kind an einem Elternteil, kann dieser überfordert sein. Kennen die Bedürfnisse Ihres Kindes, fällt es dir leichter, auf seine Signale einzugehen. So verschaffen Sie dem Partner Freiräume und haben Gelegenheit, die eigene Bindung zum Kind zu intensivieren. Verbringen Sie auch möglichst viel Zeit gemeinsam.
Ihr Nachwuchs erlebt dann in beiden Elternteilen eine stabile, verlässliche Basis.
Bedeutung für das spätere Leben
Kinder, die in stabilen, harmonischen Verhältnissen aufwachsen, wechseln also gelegentlich vom Mamakind zum Papakind und umgekehrt. Aus beiden Rollen wachsen sie normalerweise heraus. Binden sich Kinder grundsätzlich mehr an einen Elternteil, kann das unterschiedliche Ursachen haben, die es herauszufinden gilt.
Sofern sich Eltern nicht als Konkurrenten betrachten und dadurch Komplikationen entstehen, hat das kaum Auswirkungen auf das spätere Leben des Kindes.
Wird ein Elternteil aber vom anderen ausgegrenzt, kann sich im Extremfall eine geschlechtsspezifische Entwicklungsstörung anbahnen, auch die Kommunikationsfähigkeit und Fähigkeit zur Konfliktlösung kann darunter leiden.
Ausgeprägte Mama- und Papakinder benötigen die Zuwendung beider Elternteile gleichermaßen, auch wenn sie dies in ihrem Verhalten nicht so deutlich zeigen, und jeder Elternteil kann lernen, was das Kind situations- oder entwicklungsbedingt benötigt.
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Fazit
- Sicherheitsbedürfnis
- Interaktion mit der Umwelt
- Eigenes Temperament
- Charaktere der Eltern
- Verhältnis der Eltern untereinander
- Psychosexuelle Entwicklung
- Eine Triade, sprich ein Vater-eine Mutter-ein Kind, ist wichtig für die kindliche Entwicklung. So kann das Kind aus dem geschützten mütterlichen Bereich heraustreten und mit Hilfe des Vaters die Außenwelt erkunden. Es lernt so, dass eine Ablösung nichts Negatives ist
- Als Alleinerziehende(r) kannst du auch mit der Oma, dem Opa, Onkel oder Tante eine solche Triade eingehen
Dieser Artikel wurde von unserem Expertenteam geprüft.