Der Begriff Epilepsie stammt aus dem Griechischen und bedeutet in etwa „Überfall“ oder „Angriff„. Damit wird ein spontan auftretender, krampfartiger Anfall bezeichnet. Ursächlich für einen solchen Anfall sind neurologische Störungen im Gehirn.
Häufigkeit und Arten der Epilepsie bei Babys und Kleinkindern
In Deutschland leiden etwa 0,5 Prozent aller Kinder an Epilepsie. Somit gehört die Epilepsie zu einer der häufigsten chronischen Erkrankungen bei Kindern. Die Ursachen können ebenso unterschiedlich sein wie die Symptome und der Verlauf.
Während früher im Wesentlichen zwischen ‚großen‘ und ‚kleinen‘ Anfällen unterschieden wurde, kennt man mittlerweile viele unterschiedliche Formen der Epilepsie, die hauptsächlich nach dem Alter beim Auftreten kategorisiert werden. So erfolgt oft eine Einteilung nach Neugeborenen-/Säuglings-, Kleinkind-, und Schulalter.
Formen der Epilepsie bei Babys und Kleinkindern
- WEST – Syndrom
- Frühkindliche Absence-Epilepsie
- Lennox-Gastaut-Syndrom
- Dravet-Syndrom
West-Syndrom / BNS Epilepsie
Eine bei Kindern seltene Form ist die mit unkontrollierten Muskelzuckungen einhergehende BNS-Epilepsie, auch als West-Syndrom bezeichnet. BNS steht für „Blitz-Nick-Saalam“, wobei jeder Begriff spezifische Symptome definiert. Das West-Syndrom tritt üblicherweise bereits bei Säuglingen zwischen dem dritten und neunten Lebensmonat auf, wobei nach bisherigen Erkenntnissen Jungen häufiger betroffen sind als Mädchen.
Äußerungen der BNS Epilepsie
Blitz-Anfälle äußern sich in plötzlichen Muskelzuckungen in einzelnen Gliedmaßen oder am ganzen Körper. Bei einem Nick-Anfall zuckt das Kinn aufgrund einer Verkrampfung der Hals-Nacken-Muskulatur wie bei einem Nicken zur Brust. Typisch für Saalam-Anfälle ist das ruckartige Beugen von Kopf und Rumpf nach vorne, zugleich können Zuckungen in Händen und Armen auftreten.
Oft geht das West-Syndrom mit einer Entwicklungsstörung einher, die durch eine Hirnschädigung verursacht ist. Die Behandlung richtet sich nach dem Grad der Schädigung und Störung. Entsprechend unterscheiden sich die Heilungsaussichten.
Frühkindliche Absence-Epilepsie
Sie tritt zwischen dem ersten und vierten Lebensjahr auf und ist gekennzeichnet durch kurze Bewusstseinspausen. Die betroffenen Kinder sind für ca. 5 bis 25 Sekunden abwesend, halten dabei in der Bewegung inne, haben einen leeren Blick und reagieren in der Regel nicht auf Ansprache.
Die Kinder merken meistens nichts davon. Anschließend wird die begonnene Tätigkeit fortgesetzt. Es besteht normalerweise keine Erinnerung für die Zeit der Absence. Der Erkrankung gehen öfter leichte Entwicklungsverzögerungen voraus. In anderen Fällen werden die Absencen nach Fieberkrämpfen beobachtet. Die Behandlung ist oft schwierig und die Aussicht auf eine dauernde Anfallsfreiheit nicht sehr günstig.
Lennox-Gastaut-Syndrom
Diese ebenfalls recht seltene Epilepsieform tritt oft erstmals in einem Alter zwischen zwei und fünf Jahren auf. Ursächlich kann eine Gehirnschädigung sein, die z.B. auf Sauerstoffmangel während der Geburt zurückzuführen ist. Die betroffenen Kinder weisen relativ häufig auch eine Entwicklungsstörung auf. Nicht selten traten in der Vorgeschichte bereits andere epileptische Anfälle (Neugeborenenkrämpfe, West-Syndrom etc.) auf.
Wie äußert sich ein Anfall?
Ein Anfall äußert sich in einer plötzlich auftretenden Anspannung einzelner Gliedmaßen oder des ganzen Körpers und dauert oft nur einige Sekunden. Auch ist es möglich, dass die Muskulatur ohne erkennbaren Grund kurzzeitig erschlafft.
Oft leiden betroffene Kinder unter mehreren Anfällen am Tag. Sie sind daher einem erhöhten Verletzungsrisiko ausgesetzt, da sie unvermittelt in einer Tätigkeit unterbrochen werden und beispielsweise häufiger stürzen. Oft tragen sie daher Schutzkleidung, insbesondere Sturzhelme.
Die Behandlungserfolge sind statistisch leider gering.Die gesamte Entwicklung des Kindes wird gestört, schulische Probleme, Sprachstörungen und soziale Ausgrenzung können sich hinzugesellen. Bei etwa 85 Prozent der erkrankten Kinder ist noch im Erwachsenenalter mit Beeinträchtigungen zu rechnen.
Dravet-Syndrom
Das glücklicherweise sehr seltene Dravet-Syndrom wird bei betroffenen Kindern meistens zwischen dem dritten und zwölften Lebensmonat, am häufigsten während des 5. Lebensmonats diagnostiziert. Ursächlich ist meist ein genetischer Fehler, der die Kommunikation zwischen Gehirn, Nervenzentren und Körperfunktionen beeinträchtigt. Charakteristische Symptome sind rhythmische Zuckungen, von denen der ganze Körper betroffen sein kann: Überwiegend äußert sich ein Anfall in unkontrollierten Bewegungen von Armen, Beinen und Gesichtsmuskulatur, daneben kann sich der Rumpf versteifen.
Eine Behandlung ist schwierig, da Medikamente nicht immer anschlagen oder den Verlauf gar noch verschlimmern. In der Regel zeigen sich außerdem geistige Entwicklungsstörungen. Liebevolle Fürsorge und Förderung des Kindes sind daher in einem solchen Fall besonders wichtig.
Formen der Epilepsie im Schulalter
- Rolando-Epilepsie
- Landau-Kleffner-Syndrom
- Kindliche Absence-Epilepsie
- Panayiotopoulos-Syndrom
Rolando-Epilepsie
Diese Form beginnt üblicherweise zwischen dem dritten und dreizehnten Lebensjahr und ist die am häufigsten auftretende Epilepsieform im Kindesalter. Die Anfälle treten häufig nachts auf, wobei das Kind wach und bei Bewusstsein ist. Charakteristische Symptome sind Zuckungen im Gesicht, oft ist nur eine Hälfte betroffen. Begleitend können kehlige Laute und starker Speichelfluss auftreten.
Eine ärztliche Diagnose gibt Aufschluss darüber, ob eine Behandlung notwendig ist: Bei vielen Kindern sind die Anfälle nur selten. Mit der Pubertät können sie ganz aufhören. Bleibende Einschränkungen sind kaum zu erwarten, lediglich Schreib- und Leseschwierigkeiten treten häufiger auf. Diesen kann aber mit geeigneten Maßnahmen begegnet werden.
Landau-Kleffner-Syndrom
Hierbei handelt es sich um eine seltene Epilepsieform, die in der Regel im Alter zwischen fünf und sieben Jahren einsetzt, aber nur etwa in 75 Prozent der Fälle mit den typischen krampfartigen Anfällen einhergeht. Solche treten meist nachts auf, wobei sie sich auf unterschiedlichste Weise äußern können. Häufiger sind Verhaltensauffälligkeiten, geistige Entwicklungsstörungen und Beeinträchtigungen des Sprachzentrums.
Kindliche Absence-Epilepsie
Vorübergehende, nur wenige Sekunden andauernde Bewusstseinsstörungen, die sich durch starr wirkende, offene Augen bemerkbar machen können, sind Symptome der auch als Pyknolepsie bezeichneten kindlichen Absence-Epilepsie: Das Kind hält plötzlich in seiner Tätigkeit inne, um sie kurz darauf unvermittelt fortzusetzen.
Derartige Zustände können mehrmals am Tag auftreten, oft erstmals in einem Alter zwischen fünf und sieben Jahren. Die Aussicht auf Heilung ist sehr gut. Eine medikamentöse Behandlung ist meist ausreichend, mit zwölf Jahren sind viele Kinder völlig beschwerdefrei.
Panayiotopoulos-Syndrom
Diese Form tritt bei Kindern relativ häufig auf. Die Häufigkeit der Anfälle ist jedoch sehr gering und die Heilungsaussichten sind gut. Eine Störung des vegetativen Nervensystems führt bei einem Anfall zu Übelkeit und möglicherweise Erbrechen. Der Verlauf kann recht harmlos sein, es kann aber auch zu einem Verdrehen der Augen und Bewusstseinsstörungen kommen, die mehrere Stunden anhalten können. In den meisten Fällen haben die betroffenen Kinder weniger als fünf Anfälle und sie verschwinden mit der Pubertät.
Diagnose und Behandlungsmöglichkeiten bei Epilepsie
Frühzeitiges Arztbesuch wichtig
Hast du den Verdacht, dass dein Kind unter einer Epilepsie leidet, solltest du umgehend einen Arzt konsultieren, der an einen Neurologen, oder sogar Kinderneurologen weiterleitet: Je eher eine Behandlung eingeleitet wird, desto besser können die Erfolgsaussichten sein. Insbesondere kann unter Umständen einer Verschlimmerung und Folgeschäden vorgebeugt werden. Bei einigen Epilepsieformen erhöht nämlich jeder Anfall das Risiko eines weiteren.
Die Diagnose erfolgt unter Hinzuziehen der Krankengeschichte, durch Messung der Hirnströme per EEG und anhand verschiedener neurologischer Untersuchungen. Nach der Diagnosestellung können, falls erforderlich, krampfunterdrückende Medikamente verordnet werden.
Wie wird Epilepsie bei Kindern behandelt?
Sind die Erfolgsaussichten einer medikamentösen Behandlung gering oder zeigt diese nicht die erwünschte Wirkung, raten Ärzte möglicherweise zu spezielleren Methoden, die auf den Einzelfall abgestimmt werden. Im Extremfall kann auch ein chirurgischer Eingriff zur Behebung einer Störung erforderlich sein.
Neben der medizinischen Behandlung ist es wichtig, dass sowohl dein Kind als auch du lernst, mit der Situation umzugehen. In erster Linie gilt es natürlich, im Falle eines Anfalls richtig zu reagieren. Weiterhin sollte dein Kind, soweit es unter den jeweiligen Umständen möglich ist, ein beschwerdefreies Leben führen können und so wenig wie möglich in seiner Entwicklung eingeschränkt sein. Eine professionelle Beratung ist daher dringend zu empfehlen.
Was tun bei einem Anfall?
Bei jedem epileptischen Anfall gilt es vor allem, Ruhe zu bewahren. Bring dein Kind aus einem eventuellen Gefahrenbereich und entferne Gegenstände aus der Umgebung, die eine Verletzungsgefahr darstellen. Locker enge Kleidung, nimm ihm gegebenenfalls die Brille ab und stütze wenn möglich seinen Kopf. Keinesfalls solltest du zuckende Gliedmaßen festhalten.
Leidet das eigene Kind an Epilepsie, so sollte man Treppenstufen und jegliche scharfe Kanten sichern. Bei einem sich ankündigenden Anfall Stühle und Tische beiseite rücken, im Grunde alles tun, damit sich das Kind im Falle eines Sturzes nicht verletzt.
Hilfe beim schweren epileptischen Anfall
Bei einem schweren epileptischen Anfall mit Muskelverkrampfungen verkrampft sich auch die Kaumuskulatur. Versucht man, den Mund des Kindes zu öffnen, um einem sehr seltenen Zungenbiss vorzubeugen, kann dies eher zu Verletzungen führen und wird daher nicht mehr empfohlen.
Ein Anfall, der nur ein bis zwei Minuten andauert, ist meist unbedenklich, es ist dann ausreichend, wenn du anwesend bist und beruhigend zu deinem Kind sprichst. Dauern Krämpfe länger als fünf Minuten an, läuft das Gesicht blau an oder zeigen sich andere Auffälligkeiten, solltest du umgehend den Notarzt rufen.
- Epileptische Anfälle können grundsätzlich in jedem Lebensalter auftreten und sollten immer Anlass zur Ursachenforschung sein.
- Während manche Anfälle heftig und für Beobachter beängstigend verlaufen, so können kurze Absencen zunächst unbemerkt bleiben.
- In jedem Verdachtsfall sollte ein Kinderneurologe zur Diagnosesicherung hinzugezogen werden. In manchen Fällen ist auch eine stationäre Abklärung erforderlich.
- Für die Therapie stehen verschiedene Medikamente und ggf. auch operative Methoden zur Verfügung. Sie muss individuell für jedes Kind angepasst werden
Dieser Artikel wurde von unserem Expertenteam geprüft.