Die ersten unsicheren Bewegungen gehören zum Lernprozess – Ich kann Fahrrad fahren! Ein Satz, der jedes Kind mit Stolz erfüllt. Doch erst einmal gilt es, ein Gefühl für das Zweirad zu entwickeln: Motorik, Gleichgewichtssinn, Aufmerksamkeit und Reaktionsfähigkeit müssen geschult werden, bevor es sich sicher darauf fortbewegen kann.
Fahrradfahren – die Voraussetzungen
Bei Kleinkindern sind der Gleichgewichtssinn und die Motorik noch nicht vollständig entwickelt. Das sind denkbar schlechte Voraussetzungen zum Fahrrad fahren.
Auch der Orientierungssinn muss sich noch verfeinern: Das Kind muss erkennen, aus welcher Richtung ein Geräusch kommt und das Geschehen in der Umgebung überblicken können, um sich und andere nicht zu gefährden.
Sollten sich Kinder also erst auf ein Rad setzen, wenn sie all das beherrschen? Können sie nicht gerade durch das Üben lernen, ihr Gleichgewicht zu halten und die Bewegungen zu koordinieren? Werden dadurch nicht auch die Sinne geschult?
Es spricht nichts dagegen, wenn im Kindergartenalter in sicherer Umgebung die ersten Versuche gestartet werden. Wichtig ist, dass Ihr Kind das auch möchte, Sie es beaufsichtigen und ihm Hilfestellung geben.
Sind die Fähigkeiten Ihres Kindes jedoch noch nicht weit genug entwickelt, kann es mangels Erfolgserlebnissen schnell die Lust daran verlieren oder gar Angst vor dem Gefährt bekommen.
Wann Ihr Kind bereit für das Fahrrad ist, hängt weniger vom Alter, sondern vom individuellen Entwicklungsstand ab. Manche lernen den Umgang damit früher, andere erst im Grundschulalter.
Alternativen zum Üben
Statt gleich mit dem Fahrrad anzufangen, bietet sich ein Roller oder ein Laufrad an. Der Umgang mit beidem schult die Motorik, den Gleichgewichtssinn und die Reaktionsfähigkeit. Beherrscht Ihr Kind eines dieser Gefährte, fallen ihm die ersten Versuche mit dem Fahrrad wesentlich leichter.
Auch fürs Laufrad gilt allerdings zunächst: Wählen Sie eine sichere Umgebung zum Üben. Die Sicherheit Ihres Kindes steht im Vordergrund aber es dürfen natürlich weder andere Menschen noch der Straßenverkehr gefährdet werden. Zunächst muss es lernen, Geschwindigkeit und Entfernungen einzuschätzen. Es muss lernen, Hindernissen auszuweichen und zu bremsen.
Vergewissern Sie sich, dass Ihr Kind fest auf dem Sattel sitzt und sich mit den Füssen abwechselnd vorwärts propelliert, anstatt mit dem Laufrad vorwärts „zu gehen“. Den Sattel können Sie so einstellen dass Ihr Kind mit den Fußballen den Boden berührt.
Durch den Umgang mit Roller oder Laufrad gewöhnt sich Ihr Kind an die mobile Fortbewegungsweise. Es gewinnt an Körperbeherrschung und erfährt, dass auch das Hinfallen dazugehört, wenn doch mal etwas im Weg war oder es mit dem Gleichgewicht nicht so geklappt hat. Irgendwann hat es den Dreh aber raus und beherrscht sein kleines Gefährt. Dann kann es einen Schritt weiter gehen.
Das erste Fahrrad
Bevor die ersten Versuche starten können, muss natürlich ein Fahrrad her. Hier kommt es zunächst auf die richtige Größe an. Bei Kindergartenkindern im Alter von drei bis vier Jahren sind das in der Regel 12 bis 14 Zoll, in den ersten beiden Schuljahren 16 bis 18 Zoll. Das sind aber nur Richtwerte.
Zu beachten ist, dass sich Sattel und Lenker in der passenden Höhe einstellen lassen. Sitzt Ihr Kind auf dem Sattel, sollte es mit beiden Fußballen Halt auf dem Boden finden. Der Lenker sollte gebogen und so eingestellt sein, dass es aufrecht sitzt. Idealerweise sind die Griffe für einen sicheren Halt gummiert, eine gepolsterte Ummantelung des Lenkers schützt bei einem Aufprall.
Ein geschlossener Kettenschutz verhindert, dass sich beim Fahren Kleidung in der Kette verheddert und Ihr Kind deshalb stürzt. Das erste Rad sollte außerdem mit einer Rücktrittbremse ausgestattet sein – der Umgang damit ist einfacher als mit Handbremsen, so dass eine schnellere Reaktion möglich ist.
So lange Ihr Kind noch nicht mit dem Fahrrad im Straßenverkehr unterwegs ist, sind Klingel, Licht und Reflektoren zweitrangig.
Ein voll ausgestattetes Fahrrad wird meist dennoch gerne angenommen, insbesondere die Klingel ist unter Gleichaltrigen ein beliebtes Instrument. Lange dauert es auch sicher nicht mehr, bis Ihr Kind bereit ist, auf der Straße zu fahren.
Schutz für das Kind
Hinfallen gehört dazu, aber Ihr Kind soll sich dabei nicht verletzen. Besorgen Sie vor den ersten Übungen einen Fahrradhelm in der passenden Größe und achten Sie darauf, dass dieser richtig sitzt. Eine gut sichtbare Fahrradjacke oder -weste mit Reflektoren hilft dabei, dass andere Verkehrsteilnehmer Ihr Kind schon von weitem erkennen. Auch Knie- und Ellenbogenschoner sind sinnvoll. Sie schützen vor schmerzhaften Abschürfungen bei einem Sturz und können Ihrem Kind auch Sicherheit vermitteln, denn es weiß, damit kann es sich nicht so wehtun, wenn es mal fällt.
Erklären Sie Ihrem Kind von Anfang an, dass Fahrrad fahren und Schutzkleidung zusammengehören. Begibt es sich dann später auf öffentliche Wege, ist dies zur Gewohnheit geworden.
Mit oder ohne Stützräder?
Nun stellt sich die Frage – soll Ihr Kind bei den ersten Versuchen mit oder ohne Stützräder fahren? Möglicherweise haben Sie selbst anfangs mit diesen kleinen seitlichen Rädern geübt und bewegen sich heute sicher auf dem Fahrrad fort, was sollte also dagegen sprechen?
Vielfach wird heute von Stützrädern abgeraten, da sie ein falsches Sicherheitsgefühl vermitteln. Das Fahrrad muss weniger ausbalanciert werden, es passiert schließlich nichts, wenn es einmal zur Seite kippt. Sind die Stützräder später weg, muss sich Ihr Kind an ein völlig anderes Fahrgefühl gewöhnen und den Umgang mit dem Rad quasi noch mal neu lernen, so das Argument.
Ohne Stützräder bekommt Ihr Kind von Anfang an ein Gefühl dafür, wie es die Balance auf dem Zweirad hält und mit dem Lenker umgehen muss, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.
Sind die Schwierigkeiten anfangs noch zu groß, wird empfohlen, lieber die Pedale komplett abzuschrauben. So wird aus dem Fahrrad kurzfristig ein Laufrad und Ihr Kind kann damit üben. Sobald es dies gut beherrscht, kann ein neuer Versuch mit Pedalen gestartet werden.
Ist Ihr Kind bereits mit dem Laufrad vertraut, hat es damit auch sein Gleichgewichtsgefühl geschult. Es lernt dann ohnehin schneller, mit dem Fahrrad umzugehen, und benötigt keine Stützräder.
Die ersten Übungen
Wählen Sie einen Innenhof, einen abgelegenen Weg oder eine ruhige Spielstraße für die ersten Versuche mit dem Fahrrad. Ein ebener Grund ist vorteilhaft. Bleiben Sie dabei und geben Sie anfangs die erforderlichen Hilfestellungen – diese unterscheiden sich je nach Fähigkeiten Ihres Kindes.
Die meisten Schwierigkeiten haben Kinder in der Regel mit dem Anfahren, hier können Sie nachhelfen. Einige Kinder schaffen dann schon die ersten wackeligen Meter, andere benötigen noch leicht stabilisierende Unterstützung durch Ihre helfenden Hände.
Laufen Sie neben Ihrem Kind her, aber versuchen Sie nicht, jeglichen Gleichgewichtsverlust im Ansatz abzufangen. Die ersten unsicheren Bewegungen gehören zum Lernprozess – Ihr Kind muss erst ein Gefühl für das Fahrrad und die Ausbalancierung bekommen.
Bleiben Sie geduldig und ermuntern Sie Ihr Kind immer wieder, wenn es anfangs noch nicht so gut klappt. Üben Sie einfach regelmäßig einige Minuten, irgendwann wird Ihr Kind die ersten Meter alleine fahren und schließlich immer sicherer und mutiger werden.
Der Check – Kann´s losgehen?
Kann Ihr Kind mit dem Fahrrad rechtzeitig bremsen, statische und bewegliche Hindernisse sicher umfahren? Kann es sowohl bei geraden als auch schlangen- oder kreisförmigen Strecken die Balance halten? Kann es ohne Probleme sowohl nach rechts als auch nach links abbiegen und scharfe Kurven sicher nehmen? Kann es Entfernungen gut abschätzen und unebene Untergründe bewältigen?
Herzlichen Glückwunsch! Ihr Kind kann nun kompetent und sicher Fahrrad fahren. Bevor Sie Ihr Kind am Straßenverkehr teilnehmen lassen, ist es sehr wichtig, dass es die Regeln des Straßenverkehres kennt und beherrscht. Dann steht tollen Familienausflügen mit dem Fahrrad nichts mehr im Weg!
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Fazit
- die Regeln des Straßenverkehrs üben und befolgen
- mit Roller oder Laufrad üben
- kindgerechtes Fahrrad zur Verfügung stellen
- Schutzkleidung nicht vergessen
- ruhige, sichere Umgebung wählen
- Hilfestellung geben, wo es nötig ist
- kurze Übungseinheiten
- Kind ermutigen
Dieser Artikel wurde von unserem Expertenteam geprüft.