Vorlesen trägt in vielerlei Hinsicht zur Entwicklung und zum Anregen der Fantasie bei. Doch was bewirkt es, außer eventuell als Einschlafhilfe zu dienen und einige Minuten Aufmerksamkeit durch Papa oder Mama zu erhalten? Ab welchem Alter verstehen Kinder überhaupt, was ihnen vorgelesen wird?
Mamas und Papas Stimme lauschen
Ein Baby versteht noch nicht wirklich, was ihm vorgelesen wird. Es kann aber die Eindrücke von Bildern und den Klang der Worte aufnehmen. Letzteres fördert die Sprachentwicklung: Bildern können Tiernamen zugeordnet werden, es prägt sich ein, was ein Baum ist, daneben steht vielleicht ein Haus, am Himmel scheint die Sonne. Durch Vorlesen erhält Ihr Kind die Chance, seinen Wortschatz zu erweitern und Zusammenhänge zu verstehen. Es lauscht gespannt und verinnerlicht das Gesprochene.
Bei Kleinkindern und Kindergartenkindern wird durch das Vorlesen von spannenden Geschichten die Fantasie angeregt, indem sie sich zum Beispiel die Figuren bei ihren Handlungen vorstellen. Das fördert die Kreativität und Konzentrationsfähigkeit. Außerdem profitieren die Sozialkompetenz und Empathie, denn das Kind lernt, sich in verschiedene Situationen oder Rollen der Figuren hineinzuversetzen.
Vielleicht erkennt es sich in verschiedenen Szenen auch selbst wieder, wenn sich die Hauptfigur zum Beispiel wehgetan hat, weil sie hingefallen ist und daraufhin getröstet wird. Das gibt gegebenenfalls auch Gelegenheit, Erlebtes zu verarbeiten.
Kinder, die vorgelesen bekommen, werden in der Regel neugierig auf die Buchstaben und möchten wissen, was sie bedeuten. Sie wissen auch den Wert eines Buches zu schätzen und neigen weniger dazu, sich nur berieseln zu lassen, beispielsweise vor dem Fernseher.
Zu guter Letzt ist es einfach schön, während des Vorlesens an Mama oder Papa gekuschelt deren Nähe zu genießen und der vertrauten Stimme zuzuhören. Das gibt ein Gefühl von Geborgenheit und geteiltem Interesse und kann die Eltern-Kind-Bindung noch weiter stärken.
Den Worten Leben verleihen
Die spannendste Geschichte kann langweilig werden, wenn sie mit eintöniger Stimme vorgelesen wird. Ablenkungen in der Umgebung können aber auch Aufmerksamkeit erregen, so dass Ihr Kind einfach nicht mehr zuhört.
Dem können Sie vorbeugen, indem Sie eine ruhige Atmosphäre schaffen. Versetzen Sie sich selbst in die Geschichte hinein, gelingt es leichter, Ihre Stimme gekonnt zu verändern: Spielen Sie mit der Tonlage, geben Sie unterschiedlichen Figuren eine andere Stimme. An spannenden Stellen können Sie kurz innehalten, bei ruhigen Szenen sinkt Ihre Tonlage, bei lebhaften Ereignissen sprechen Sie aufgeregter und schneller.
Hat Ihr Kind zwischendurch Anmerkungen, unterbrechen Sie gerne kurz und gehen darauf ein. Durch das lebendige Vorlesen und aktive Teilhaben erhält es Gelegenheit, sich intensiv in die Handlung hineinzuversetzen und sich damit auseinanderzusetzen.
Bücher für jedes Alter
Bereits für Kinder unter einem Jahr ist es anregend, gemeinsam ein Bilderbuch anzuschauen. Zu den Bildern können Sie kleine Geschichten erzählen, während Sie daraufzeigen. Um Ihr Kind nicht zu überfordern ist es wichtig, nicht zu viele Wörter zu benutzen. „Schau, ein Igel“ reicht erstmal schon. Langsam können Sie Wörter hinzufügen. “ Schau, ein kleiner Igel“. Sicher beteiligt sich Ihr Kind bald schon aktiv daran, indem es versucht, Ihre Worte zu imitieren und mit dem Finger auf das Bild zeigt.
Für Kleinkinder sind Fühlbücher eine tolle Idee. Auch solche mit integriertem Puzzle lassen sie aktiv teilhaben, indem sie – gegebenenfalls mit Ihrer Hilfe – Figuren in die vorgesehenen Öffnungen stecken und so das Bild zu Ihrer Erzählung vervollständigen.
Ab dem Kindergartenalter werden die Geschichten und die Handlungen, welche die Bilder vermitteln, immer bedeutsamer. Die Konzentrationsfähigkeit entwickelt sich, bald schon können Kinder etwas längeren Geschichten zuhören.
Im Vorschulalter sind viele Kinder so weit, Bilder und Buchstaben einander zuzuordnen, beispielsweise ein „A“ dem Apfel oder ein „K“ der Katze. Es macht ihnen außerdem zusehends Spaß, interessanten Handlungen zu folgen.
In der Grundschule lernt Ihr Kind selbst lesen. Sicher hat es sich das viel leichter vorgestellt, Worte zu entziffern, aneinanderzureihen und noch dazu den Inhalt zu erfassen. Lesen Sie ihm weiter vor, kann das dazu beitragen, dass die Motivation nicht verloren geht. Eine Studie der „Stiftung Lesen“ ergab zudem: Kinder, denen vorgelesen wurde, sind in der Schule durchschnittlich um eine drittel Note besser als solche, die nicht derart gefördert wurden. Um sicherzugehen, dass Ihr Grundschulkind beim Vorlesen und Selberlesen die Handlung der Geschichte auch aufgenommen und verstanden hat, können Sie Ihrem Kind nach jedem Abschnitt einfache Fragen stellen. Zum Beispiel: „Wer ist auf den Baum geklettert?“, „Warum hat Tim geweint“ etc. Andere Fragen oder Kommentare, wie zum Beispiel „Hättest du auch geweint, wenn dir das passiert wäre?“ oder „Der klettert anscheinend genauso gerne wie du“ können schöne Gespräche anregen.
Hier finden Sie Kinderbücher für unterschiedliche Altersstufen.
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