Ein betroffenes Kind verzweifelt schnell an Rechenaufgaben und benötigt ständig Unterstützung. Dyskalkulie, auch als Rechenschwäche oder Zahlenblindheit bezeichnet, bedeutet eine Einschränkung des arithmetischen Verständnisses. Wie macht sich eine Dyskalkulie konkret bemerkbar und was kann dagegen getan werden?
Dyskalkulie – was ist das?
Wie die deutsche Bezeichnung andeutet, hat ein von Rechenschwäche betroffenes Kind Schwierigkeiten im Umgang mit Zahlen. Diese können sich auf unterschiedliche Weise äußern und mit weiteren Phänomenen einhergehen, die auf den ersten Blick gar nichts mit dem Rechnen zu tun haben: Zu mathematischen Symptomen können sich psychische und kognitive Auffälligkeiten gesellen.
Symptome für Dyskalkulie beim Kindern
Kinder mit einer solchen Schwäche rechnen nicht, sondern zählen und nutzen dazu meist die Finger. Dabei machen sie gelegentlich dennoch Fehler, indem sie sich verzählen. Weiterhin können Schwierigkeiten beim Rückwärtszählen auftreten, wodurch die Fähigkeit zu Subtrahieren beeinträchtigt ist.
Oft werden Operationen auswendig gelernt, die Rechenvorgänge aber nicht verstanden. Probleme können sich außerdem beim Erfassen von Aufgabenstellungen einstellen – der sachliche Zusammenhang des Textes erschließt sich nicht.
Gerne werden Rechenzeichen und ähnliche Zahlen wie 6 und 9 verwechselt, es kommen Zahlendreher vor und das Verständnis von einer Zahl als Mengenangabe fehlt. Die Zahl bleibt quasi bedeutungslos, daher der Begriff „Zahlenblindheit“. Damit kann auch eine Einschränkung des räumlichen und zeitlichen Vorstellungsvermögens einhergehen.
Psychische und kognitive Auffälligkeiten beeinträchtigt
Ein betroffenes Kind verzweifelt schnell an Rechenaufgaben und benötigt ständig Unterstützung. Es zeigt wenig Ausdauer und kann das Gefühl entwickeln, einfach unfähig zu sein. Das führt bei einigen Kindern zu der Angst, sich zu blamieren und nicht anerkannt zu werden. Im Extremfall stellen sich Folgesymptome wie Kopfschmerzen, Schlafstörungen, motorische Unruhe, Aggressivität oder Bettnässen ein.
Im Zusammenhang mit der Rechenschwäche kann Konzentrationsschwäche auftreten, andere kognitive Auffälligkeiten sind eine eingeschränkte Merkfähigkeit und ein wenig ausgeprägtes Abstraktionsvermögen. Darunter leiden wiederum weitere Bereiche des Lebens.
Die Rechenschwäche erkennen
Hat Ihr Kind Probleme beim Rechnen, liegt ihm dieser Lernbereich vielleicht einfach weniger als andere, es muss sich nicht um Dyskalkulie handeln. Möglicherweise hat es auch schlicht keine Lust, die gestellten Aufgaben zu lösen.
Zur eindeutigen Feststellung gibt es verschiedene diagnostische Kriterien. Es kann ein Hinweis sein, wenn Ihr Kind im Rechnen deutlich hinter dem Altersdurchschnitt liegt, die allgemeine Begabung aber nicht vermuten ließe, dass Probleme im Zahlenverständnis vorliegen könnten.
Weitere Anzeichen für eine mögliche Dyskalkulie können sein, wenn Ihr Kind
- Probleme hat, zwischen rechts und links zu unterscheiden
- ständig die Finger zum Lösen einfacher Aufgaben benutzt
- sich mit Vergleichen wie größer-kleiner, länger-kürzer, schwer-leicht schwertut
- allgemeine Orientierungsschwierigkeiten hat
- Zahlen in Sprechrichtung schreibt (siebenundsechsig = 76)
- im 4. Schuljahr noch große Unsicherheit im Umgang mit Geld / Wechselgeld zeigt
- kein Zeitgefühl entwickelt (zum Beispiel überhaupt nicht einschätzen kann, was „in 10Minuten“ bedeutet)
Äußere Druck begünstigt Dyskalkulie
Der Druck, dem sich Ihr Kind ausgesetzt fühlt, kann zu einer Ablehnung gegen das Rechnen und Lösen von verwandten Aufgaben führen. Da gelegentlich Zeichen und Zahlen verwechselt werden, ist zudem eine mehr oder weniger ausgeprägte Lese-Schreibschwäche möglich.
Die Grenze zwischen Problemen mit dem Rechnen, die sich durch Fleiß und Übung bewältigen lassen, und einer tatsächlichen Störung sind fließend.
Eine eindeutige Diagnose ist jedoch erforderlich, um die richtigen Hilfestellungen geben zu können und gegebenenfalls eine Therapie einzuleiten.
Zu diesem Zweck werden verschiedene Tests durchgeführt: Die Rechenfertigkeiten werden ebenso überprüft wie verschiedene Wahrnehmungsbereiche, die Auffassungsgabe und die Vorstellungsfähigkeit. Daneben finden die Konzentrationsfähigkeit, allgemeine Stärken und Schwächen sowie der emotionale Zustand Berücksichtigung.
Wie entsteht Dyskalkulie und was kann ich machen?
Selten ist eine einzige Ursache feststellbar. Oft handelt es sich um einen Komplex aus neuropsychologischen und sozialen Faktoren, wobei die neuropsychologischen erworben (zum Beispiel durch Krankheit) oder genetisch bedingt sein können.
Neuropsychologische Störungen führen dazu, dass das Zusammenspiel unterschiedlicher Bereiche im Gehirn beeinträchtigt ist. Es ist dann nicht in der Lage, die zum Lösen einer Rechenaufgabe erforderlichen Abläufe zu koordinieren und kann die Bedeutung einzelner Operanten wie Zahlen und Zeichen nicht erfassen.
Einer Dyskalkulie vorbeugen lässt sich nur, indem eine solche Störung zeitig erkannt und erfolgreich therapiert wird, beispielsweise durch Frühförderung.
Auf soziale Faktoren als mögliche Ursache haben Sie mehr Einfluss. Extreme psychische Belastungen können dazu führen, dass das Gehirn mit der Konfliktbewältigung ausgelastet ist und keine Reserven hat, sich zu konzentrieren und weitere komplexe Aufgaben zu bewältigen, wie sie zum Rechnen erforderlich sind.
Ein harmonisches soziales Umfeld und Unterstützung der Eltern bei Problemen im Kindergarten oder in der Schule verhilft dem Kind zu innerer Stabilität und Ausgeglichenheit. Somit wird ein möglicher Ursachenbereich eingeschränkt.
Das Kind fördern
Fördernde Maßnahmen sind stets bei den individuellen Fähigkeiten und dem Ursachenkomplex anzusetzen, nicht am aktuell zu bewältigenden Unterrichtsstoff. Durch therapeutische Maßnahmen soll ein Fundament geschaffen werden, um darauf aufbauend ein Zahlen-, Mengen- und Operationsverständnis überhaupt erst entwickeln zu können.
Versagensängsten wird durch Erfolgserlebnisse entgegengewirkt, hier wird mit den Stärken Ihres Kindes gearbeitet. Schritt für Schritt werden dann Konzentrationsfähigkeit und Vorstellungsvermögen geschult.
Lerntherapie bei Dyskalkulie sinnvoll
Es findet also im Idealfall eine auf das Kind abgestimmte Kombination aus Psycho- und Lerntherapie statt, gegebenenfalls ergänzt um weitere therapeutische Ansätze. Eine Förderschule ist dazu nicht immer geeignet. In Deutschland gibt es jedoch private Institutionen, die sich auf Dyskalkulie spezialisiert haben und individuelle Therapiepläne entwickeln, so zum Beispiel das Mathemathische Institut zur Behandlung der Rechenschwäche in München. Dort arbeiten Lehrer und Psychologen, die eine Zusatzausbildung zum Dyskalkulie-Therapeuten erlangt haben. Es werden Elternkurse angeboten und ein Elternratgeber mit Information und Tipps zur Dyskalkulie ist hier erhältlich. Ähnliche Einrichtungen existieren deutschlandweit. Bei einer Dyskalkulie-Therapie in einer Einrichtung mit Zulassung erhalten Betroffene einen Zuschuss vom Jugendamt (Antrag auf Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII).
Dieser Artikel wurde von unserem Expertenteam geprüft.