Der richtige Umgang mit Impulsen und Gefühlen ist ein Lernprozess. Kleine Kinder agieren und reagieren impulsiv, Selbstkontrolle ist ihnen fremd. Für Eltern nicht immer leicht, wenn jeder Gedanke und jede Emotion spontan in eine Tat umgesetzt wird.
Selbstkontrolle ist ein Lernprozess
Eltern möchten, dass ihr Kind höflich ist, niemanden verletzt, keine Zerstörungswut an Spielzeug auslässt, sich nicht in Gefahr begibt. Das sind ganz schön hohe Anforderungen. Kleinkinder entdecken ihren eigenen Willen, möchten ihren Bewegungsdrang ausleben, müssen mit ihren noch eingeschränkten Möglichkeiten ihre Emotionen ausdrücken, wollen ihre Neugier befriedigen.
Kinder erleben die Welt anders als Erwachsene. Sie denken nicht über ihr Handeln, Folgen und Konsequenzen nach, wissen noch nicht, wie ihr Verhalten auf andere wirkt. Ein Kind, das sich von der Hand losreißt, hat vielleicht einfach etwas Interessantes gesehen, möglicherweise wird es schlicht von der puren Lust am eigenständigen Laufen getrieben.
Kinder können nur impulsiv handeln
Das Bewerten von Situationen und Überdenken der eigenen Reaktion darauf setzt analytisches Denken voraus. Kinder erleben die Welt aber zunächst mit den Sinnen und müssen lernen, sich in den vielen Eindrücken zurechtzufinden, sie einzuordnen. Das geschieht intuitiv.
Eigene Fähigkeiten überschätzen und Grenzen austesten
Mit dem Entdecken des eigenen Willens und einer gewissen Eigenständigkeit überschätzen Kinder gerne ihre Fähigkeiten, testen Grenzen aus, erfahren erst noch, dass sie mit ihrem Verhalten diese oder jene Wirkung erzielen können. Erklärungen und Ermahnungen helfen da oft nicht, die Impulse können einfach nicht kontrolliert werden und es entzieht sich der kindlichen Auffassungsfähigkeit, warum das überhaupt notwendig ist.
Impulskontrolle und Selbstbeherrschung erfordern innere Stabilität und Willensstärke. Emotionen müssen differenziert erkannt und definiert werden können, um sie gezielt zum Ausdruck zu bringen. Bei kleinen Kindern erfolgt stattdessen eine unwillkürliche motorische und/oder verbale Reaktion.
Ebenso wie sich Motorik, Wahrnehmung, Ausdrucksfähigkeit, Koordination und Konzentrationsfähigkeit entwickeln, entwickelt sich die Fähigkeit, Situationen einzuschätzen und die eigenen Reaktionen unterschiedlichen Eindrücken und Emotionen zuzuordnen. Erst dann ist ein Kind überhaupt in der Lage, sich in Selbstkontrolle zu üben. In der Regel setzt dieser Prozess etwa mit zwei bis drei Jahren ein.
Emotionen sind erlaubt
Erklärungen sind wichtig, denn Ihr Kind erfährt auf diese Weise etwas über die Ausdrucksmöglichkeiten. Sie sprechen allerdings oft nur den denkenden Teil des Gehirns an, nicht den emotionalen, der reaktionswürdige Impulse sendet.
Impulskontrolle von Eltern lernen
In erster Linie sollten Sie sich Ihrer Vorbildfunktion bewusst sein: Indem Ihr Kind Sie beobachtet, lernt es, wie Sie mit Emotionen umgehen. Das bedeutet zum Beispiel gelassen zu bleiben, wenn Ihr Kind sich in einem Wutanfall austobt. Rennt es auf die Straße, müssen Sie natürlich schnell sein, Schimpftiraden sind jedoch wenig sinnvoll – wiederum heißt es, bei allem Schreck Ruhe zu bewahren.
Neben der Erklärung, warum eine Reaktion unangemessen ist, können Sie Ihre eigenen Gefühle oder die anderer Menschen vermitteln. Sagen Sie Ihrem Kind, dass es Sie erschreckt oder verärgert hat, dass Sie etwas traurig gemacht hat, dass sich ein anderer Mensch verletzt fühlt. So leben Sie Ihrem Kind vor, dass Sie auch Emotionen haben, darauf aber nicht mit Schreien reagieren oder Tassen an die Wand schmeißen, sondern sie mit klaren Worten ausdrücken.
Unterschiedliche Charaktere
Kontrolle über sich selbst fällt dem einen Kind leichter, dem anderen schwerer. Das ist völlig normal, schließlich sind Kinder eigenständige Charaktere und unterscheiden sich im Temperament. Bei besonders impulsiven Kindern ist Ihre Geduld gefragt, andere können sich einfach besser beherrschen.
Bei einem sehr introvertierten Kind kann gar der umgekehrte Prozess stattfinden – es muss seine emotionalen Reaktionen nicht beherrschen lernen, sondern sich die Fähigkeit aneignen, diese überhaupt auszudrücken.
So unterstützen Sie Ihr Kind bei der Selbstkontrolle
Bemerken Sie, dass sich eine starke Emotion in Ihrem Kind regt, können Sie diese bestätigen, indem Sie offen ansprechen, dass es jetzt sicher wütend oder traurig ist. Es fühlt sich und seine Gefühle angenommen und kann zunehmend selbst lernen, erste Anzeichen einer emotionalen Reaktion zu erkennen.
Vermitteln Sie Ihrem Kind, dass Gefühle erlaubt und richtig sind, kann es sicher sein, dass Sie seine Bedürfnisse ernstnehmen. Zunehmend fällt es ihm leichter, sie selbst bewusster wahrzunehmen und Reaktionen zu steuern.
Darauf sollten Eltern achten
Das klappt nicht von heute auf morgen. Ein Kind, das schon in vielen Situationen gelernt hat, sich zu beherrschen, kann dennoch, bis ins Schulalter hinein, mal impulsiv und unüberlegt handeln. Bedenken Sie wiederum, Verstand und Emotion zugleich anzusprechen, statt nur eine logische Erklärung zu liefern, warum ein Verhalten unerwünscht ist, geschweige denn selbst impulsiv zu reagieren.
Erklärungen des Verhaltens für Selbstkontrolle wichtig
Hat es einem anderen Kind das Spielzeug weggenommen, genügt also nicht die Erklärung, dass es fremdes Eigentum nicht einfach nehmen darf. Weisen Sie darauf hin, dass das andere Kind nun traurig ist – genauso traurig wie Ihr Kind wäre, wenn ihm sein Lieblingsspielzeug einfach weggenommen würde.
Gehen Sie gemeinsam hin, um das Spielzeug mit einer Entschuldigung zurückzugeben, erfährt es zugleich etwas über die Konsequenz seiner Handlung, die sicher keineswegs böswillig war, sondern von dem Impuls gesteuert, dass das Spielzeug gefällt.
Disziplin üben, Ausgeglichenheit fördern
Sie können den Alltag dazu nutzen, Selbstkontrolle zu üben. Erfüllen Sie Ihrem Kind nicht jeden Wunsch sofort, führen Sie klare Regeln ein, an die sich alle konsequent halten müssen, und übertragen Sie kleine Aufgaben im Haushalt. So vermitteln Sie Ihrem Kind, dass es unabhängig von den eigenen Bedürfnissen und Emotionen Pflichten gibt, die zu erfüllen sind.
Kind muss Kind sein dürfen
Wurde den Pflichten nachgekommen, ist Zeit, sich den angenehmen Dingen des Lebens zu widmen. Achten Sie darauf, dass sich Ihr Kind körperlich und geistig ausleben kann. Unbeschwert draußen Toben baut Energie ab, es stauen sich dann weniger Emotionen an. Kreative Beschäftigungen sind eine ideale Möglichkeit, Empfindungen auszudrücken.
Schaffen Sie im Alltag ein gesundes Verhältnis zwischen Pflichterfüllung und Gelegenheit, sich auszupowern oder kreativ zu werden. Das ist eine gute Voraussetzung für die Ausgeglichenheit und Aneignung der Willensstärke, die zur Selbstkontrolle benötigt wird. Das gilt insbesondere für Kinder, die sehr impulsiv und unbeherrscht sind.
Zusätzliche Maßnahmen wie Yoga, Meditation und Achtsamkeit sind heutzutage für jeden zugänglich und helfen sowohl Kindern als auch Erwachsenen, mehr Ruhe und Ausgeglichenheit im Alltag zu finden. Kinder können auf diesen Wegen lernen, von klein auf ihre Gefühle bewusst wahrzunehmen und anzuerkennen, anstatt diese zu verdrängen oder in destruktives Verhalten umzuwandeln. Es werden in diesem Bereich in den meisten größeren Städten sowohl Kurse für die Kleinen direkt angeboten, als auch ein Training für deren Eltern.
Kindern, die gelernt haben, ihre Gefühle zu beherrschen und sich auszudrücken, fällt es leichter, sich zu konzentrieren, spätestens im Schulalter profitieren sie davon. Ein Mindestmaß an Disziplin sollte bis zur Einschulung ebenfalls vorhanden sein.
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