Während der Schwangerschaft erleben Ungeborene eine prägende Phase – Ungeborene, so besagen neue Forschungsergebnisse, empfangen Reize von außen und reagieren individuell darauf. Diese aktive Teilnahme am Leben beginnt bereits mit etwa acht Wochen, wie Ultraschalluntersuchungen zeigen.
Ein Charakter entwickelt sich
Schon mit acht Wochen werden Ungeborene im Mutterleib aktiv: Sie strecken den kleinen Körper, bewegen rudernd die Arme und rollen sich hin und her.
Ultraschalluntersuchungen zeigen, dass dies nicht alleine durch Reflexe gesteuert wird, denn das Verhalten unterscheidet sich von Kind zu Kind und je nach äußeren Reizen, was Rückschlüsse auf den sich entwickelnden Charakter zulässt. So lautet das Ergebnis einer Forschungsreihe in Johannisburg an 46 Schwangeren.
Auch in Deutschland und den USA interessierten sich Forscher für die Sinneswahrnehmungen und Reaktionen von Ungeborenen. Sie stellten fest, dass schon mit neun Wochen die nähere Umgebung in der Fruchtblase mit den Händen erkundet wird und bereits ab etwa der 20. Schwangerschaftswoche eine deutliche Reaktion auf Geräusche erfolgt:
Bei einem lauten Geräusch zuckt das Ungeborene erschrocken zusammen, bei leisen, melodischen Tönen wirkt es, als würde es neugierig zuhören.
Ein US-amerikanischer Psychologe stellte außerdem fest, dass Babys im Mutterleib bereits einen eigenen Geschmack zeigen. In der letzten Phase der Schwangerschaft schlucken sie durchschnittlich 25 Milliliter Fruchtwasser in der Stunde. Wird dieses per Spritze mit einem bitteren Geschmack angereichert, hört das Verhalten unvermittelt auf, während bei einer Anreicherung mit süßem Geschmack etwa die doppelte Menge geschluckt wird.
Einflussnahme der Mutter beginnt im Mutterleib
Wissenschaftler sind sich einig, dass auch die Psyche der Mutter das Ungeborene beeinflusst, denn es nimmt ihre Emotionen und ihre Stimme wahr. Die Reize werden in dem kleinen, sich entwickelnden Gehirn gespeichert und prägen das Kind so bereits für das spätere Leben.
Das schließen die Forscher daraus, dass sich beispielsweise bei negativen Emotionen und lauten Stimmen in der Umgebung die Muskulatur der Bauchdecke unbewusst anspannt, Stresshormone ausgeschüttet werden und sich der Puls beschleunigt.
Das alles führt zu einer Art Erstarrung des Ungeborenen.
Wird es nach der Geburt mit denselben lauten Stimmen konfrontiert, fällt es in eine ähnlich starre Haltung, während es selbst Stresshormone produziert und sich der Puls beschleunigt.
Umgekehrt werden auch positive Emotionen und Reaktionen der Mutter wahrgenommen und gespeichert.
Das wiederum bedeutet, dass jede Frau bereits während der Schwangerschaft gezielt positiven Einfluss auf die Entwicklung ihres Kindes nehmen kann, indem sie sich entspannte Momente gönnt und ruhig mit ihm spricht oder ihm etwas vorsingt.
Neue Forschungsergebnisse
Noch in den 80er Jahren ging die Wissenschaft davon aus, dass Ungeborene keine Empfindungen haben. Diese Auffassung hat sich inzwischen ins Gegenteil verkehrt.
Der Psychologe Janus, Präsident der „Internationalen Studiengemeinschaft für pränatale und perinatale Psychologie und Medizin“, ist der Auffassung, dass das Erleben im Mutterleib ausschließlich auf emotionaler Ebene stattfindet.
Die Erfahrungen bilden die Basis für den sich später entwickelnden Verstand. Der Fachmann ist sich sicher: Das emotionale Erleben und Reaktionen darauf sind bereits etwa zwei Monate nach der Empfängnis deutlich in Ultraschalluntersuchungen erkennbar.
Darüber hinaus haben Wissenschaftler festgestellt, dass Ungeborene einerseits auf die Emotionen der Mutter und jegliche wahrnehmbare Reize wie Geräusche und Bewegungen reagieren, andererseits bereits in der zwölften Schwangerschaftswoche eigenständige Bewegungen ausführen.
Die Entwicklung des Geschmackssinnes datieren sie auf etwa die 14. Schwangerschaftswoche.
Welt der Geräusche
Ebenfalls wurde festgestellt, dass sich der Gehörsinn schon in der 18. Schwangerschaftswoche entwickelt. Ab diesem Zeitpunkt erfolgt eine sichtbare Reaktion auf Geräusche, insbesondere Musik.
Töne von außen werden im Mutterleib als Schwingung über das Fruchtwasser übertragen, aber auch im Körper der Mutter gibt es akustische Reize:
Magen und Darm arbeiten mit einer für das Ungeborene empfangbaren Lautstärke bis zu 85 Dezibel, das Blut rauscht mit bis zu wahrnehmbaren 55 Dezibel durch die Arterien.
Musik, auf die ein Ungeborenes entspannt reagiert, beruhigt das Baby erstaunlicherweise auch nach der Geburt noch, so lauten weitere Forschungsergebnisse. Anspannung und Entspannung wird über die Bewegungen und den Herzschlag ermittelt.
Lernen beginnt im Mutterleib
All die Erfahrungen im Mutterleib prägen Ungeborene für das ganze Leben, ist sich der Präsident der Internationalen Studiengemeinschaft sicher. Er rät werdenden Eltern, sich bereits während der Schwangerschaft intensiv mit ihrem Kind zu befassen.
Sie können mit ihm sprechen, es über den Bauch streicheln, ihm etwas vorsingen oder Musik vorspielen. Das fördert laut Janus die Entwicklung, Lernfähigkeit und Beziehungsfähigkeit des Kindes und beeinflusst bereits vor der Geburt seine spätere Interaktion mit der Umwelt.
Er warnt jedoch wie auch andere Wissenschaftler davor, Ungeborene mit Reizen zu überfluten: Die Natur hat es nicht ohne Grund so eingerichtet, dass sie in der Geborgenheit der Gebärmutter heranwachsen.
Die vielen neuen Wahrnehmungen müssen in dem sich entwickelnden Gehirn und der zarten Seele verarbeitet werden, dazu benötigen Ungeborene Ruhe.
Einige Forscher gehen noch weiter und sind der Ansicht, dass Kinder, die während der Schwangerschaft Stress ausgesetzt waren, eher zu Allergien und anderen Krankheiten neigen als solche, die sich in sicherer Geborgenheit entwickeln konnten.
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Fazit
- individuell gesteuerte Bewegungen
- erkunden der Umgebung
- Reaktion auf Geräusche
- eigenes Geschmacksempfinden
- Wahrnehmung der Emotionen der Mutter
- Reaktion auf Berührungen
- Speichern der emotionalen Erfahrungen
Dieser Artikel wurde von unserem Expertenteam geprüft.