Eine Störung der Plazentahaftung – Bei einer Placenta accreta verbindet sich das Gewebe der Plazenta nicht nur mit der Gebärmutterschleimhaut, sondern wächst in die Muskulatur des Uterus. Nach der Geburt kann sich die Plazenta daher nicht eigenständig lösen, was starke Blutungen zur Folge hat.
Die Plazenta – Versorgungszentrale für das Baby
Die Plazenta (Mutterkuchen) besteht sowohl aus mütterlichem als auch aus kindlichem Gewebe. Sie bildet sich in den ersten Wochen einer Schwangerschaft, indem embryonales Gewebe – die sogenannten Trophoblasten – in die Gebärmutterschleimhaut einwächst. Bis zur Geburt stellt sie danach die Versorgung des Babys sowie den Abtransport seiner Stoffwechselprodukte sicher.
Daneben produziert sie für den Erhalt der Schwangerschaft wichtige Hormone, beeinflusst das Immunsystem der Mutter so, dass Abstoßungsreaktionen gegenüber dem Baby ausgeschlossen sind und schützt das Kind durch die Plazentaschranke vor vielen Schadstoffen und Krankheitskeimen. Im Verlauf der Schwangerschaft wächst auch die Plazenta mit. Zum Zeitpunkt der Geburt wiegt sie etwa 500 Gramm, ist zwei bis fünf Zentimeter dick und hat einen Durchmesser von etwa 20 Zentimetern.
Anders als alle anderen menschlichen Organe muss die Plazenta von Anfang an nicht nur ihr eigenes Wachstum steuern, sondern parallel dazu ihre Funktionsfähigkeit entsprechend den Bedürfnissen des Kindes steuern. Nach der Geburt löst sie sich normalerweise selbstständig von der Gebärmutterwand und wird als sogenannte Nachgeburt durch die Nachwehen ausgetrieben.
Die Blutgefäße, die den mütterlichen Körper mit der Plazenta verbinden, schließen sich – die Abheilungs- und Rückbildungsphase hat begonnen.
Wie entsteht eine Placenta accreta?
Bei einer Plazenta accreta ist die Entwicklung der Plazenta von Anfang an in einer wichtigen Dimension gestört: Sie wächst nicht nur in die Gebärmutterschleimhaut ein, sondern verbindet sich mit der Muskulatur des Uterus. Die Gebärmutter ist – wie alle Hohlorgane – aus drei Gewebeschichten aufgebaut: Ihre äußere Schicht – ein glatter, glänzender Überzug – heißt in der medizinischen Fachsprache Perimetrium oder Serosa, in der Mitte liegt die glatte Muskulatur des Myometriums, innen die Gebärmutterschleimhaut oder Endometrium.
Während der Schwangerschaft wird die Gebärmutterschleimhaut auch als Decidua oder Dezidua bezeichnet – falls eine Placenta accreta vorliegt, sprechen Ärzte auch davon, dass das Plazentagewebe die Decidua basalis durchdrungen hat:
- In 75 Prozent aller Fälle liegt eine „klassische“ Placenta accreta vor. Die gesamte Plazenta oder Teile von ihr sind durch die Decidua bis zum Myometrium vorgedrungen, sind jedoch nur in relativ geringem Ausmaß in das Muskelgewebe eingewachsen.
- Bei einer Placenta increta – 20 Prozent aller Fälle – wächst das Plazentagewebe in größerem Ausmaß in das Myometrium hinein.
- Eine Placenta percreta kommt bei fünf Prozent aller betroffenen Frauen vor. Das Gewebe der Plazenta hat dabei die äußere Hülle der Gebärmutter durchbrochen und wuchert in andere Organe, vor allem in die Blase.
Als Folge davon kann sich die Plazenta nicht eigenständig lösen, die Blutgefäße können sich nicht schließen. Durch eine Placenta accreta entsteht nach der Geburt stattdessen eine offene Wunde, die erhebliche Blutverluste nach sich ziehen kann.
Ursachen einer Placenta accreta
Ärzte bringen die wachsende Häufigkeit der Placenta accreta mit der Zunahme von Kaiserschnittgeburten in Verbindung. Auch andere operative Eingriffe an der Gebärmutter sowie Gebärmutteranomalien begünstigen ihre Entstehung. Jedoch kann diese Anomalie auch ohne solche Voraussetzungen entstehen.
Oft ist sie außerdem mit einer Placenta praevia verbunden. Dabei handelt es sich um einen tiefen Ansatz der Plazenta, zum Teil wird der Muttermund durch das Organ teilweise oder ganz verdeckt.
Symptome und vorgeburtliche Diagnostik
Während der Schwangerschaft verursacht eine Placenta accreta oft keinerlei Symptome. Vor allem im letzten Drittel kann es bei einigen Frauen zu vaginalen Blutungen kommen, die immer einer umgehenden ärztlichen Abklärung bedürfen – Ihr Frauenarzt wird in einem solchen Fall immer auch an die Möglichkeit einer Placenta accreta und/oder einer Placenta praevia denken und Sie entsprechend untersuchen. Entdeckt wird eine Placenta accreta meist im Rahmen der Ultraschalluntersuchungen in der Schwangerschaft.
Gefahren für das Baby oder eine Mangelversorgung des Kindes sind damit zunächst nicht verbunden. Falls es vor dem errechneten Geburtstermin zu sehr starken Blutungen kommt, können diese jedoch dazu führen, dass die Schwangerschaft vorzeitig beendet werden muss. In der Regel betrifft dies jedoch einen Zeitpunkt, zu dem das Baby bereits reif und damit sicher lebensfähig ist.
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Falls das Vorliegen einer Placenta accreta bereits vor der Geburt bekannt ist, werden die Ärzte der Mutter fast immer einen Kaiserschnitt empfehlen, um Risiken für Mutter und Kind – durch starke Blutungen oder einen verzögerten Geburtsverlauf – zu minimieren. Wenn außerdem eine Placenta praevia vorliegt, ergibt sich die Notwendigkeit eines Kaiserschnittes oft aus beiden Diagnosen.
Zudem erfordert eine Placenta accreta auch bei einer natürlichen Geburt normalerweise einen Eingriff: Die Plazenta wird in diesem Fall manuell gelöst, oft ist auch eine Kürettage (Ausschabung der Gebärmutter) nötig. Bei einer nicht zu stark ausgeprägten Placenta accreta ist eine natürliche Geburt trotzdem grundsätzlich möglich, falls der Geburtskanal nicht durch eine Placenta praevia verschlossen ist. Bei einer Placenta increta oder percreta gibt es dagegen keine Alternative zu einem Kaiserschnitt.
Welche Folgen hat eine Placenta accreta für spätere Geburten?
Oft wird Frauen, die bereits eine Placenta accreta hatten, bei folgenden Schwangerschaften von vornherein zu einem Kaiserschnitt geraten – die Problematik muss sich jedoch in der nächsten Schwangerschaft nicht zwangsläufig wiederholen. Während der Ultraschalluntersuchungen wird der Arzt besonders genau auf das Vorliegen einer Placenta accreta oder anderer Plazentaanomalien (Placenta praevia) achten. Wenn alles „in Ordnung“ ist, besteht keine Notwendigkeit für einen Kaiserschnitt.
Fazit
- Bei einer Placenta accreta handelt es sich um eine Störung der Plazentahaftung. Das Gewebe der Plazenta verbindet sich dabei nicht nur mit der Gebärmutterschleimhaut, sondern wächst – in unterschiedlichen Schweregraden – in die Muskulatur des Uterus hinein.
- Gefährlich ist eine unerkannte Placenta accreta vor allem während der Geburt, da sich die Plazenta in diesem Fall nicht eigenständig lösen kann, was einen verzögerten Geburtsverlauf sowie starke Blutungen zur Folge haben kann.
- Bei einer Placenta accreta empfehlen die Ärzte in der Regel einen Kaiserschnitt. Bei leichten Formen ist eine natürliche Geburt zwar möglich, die Plazentaanomalie erfordert danach jedoch meist trotzdem einen Eingriff.
- In späteren Schwangerschaften ist zwar ein höheres Risiko für das erneute Auftreten einer Placenta accreta gegeben, zwangsläufig ist eine solche Wiederholung jedoch nicht.
- Leichte Fälle von Placenta accreta lassen sich einfach lösen, bei schwereren Fällen braucht man eine Kürettage, im schlimmsten Fall eine Hysterektomie.
- Die leichteren Formen der Placenta accreta sind häufiger als die schwereren.
- Eine Placenta accreta kann mit erhöhten Werten von Alpha-Fetoprotein im Blut der Mutter einhergehen.
Dieser Artikel wurde von unserem Expertenteam geprüft.