Eine sanfte Geburt wünscht sich wohl jede Schwangere. Auf den ersten Blick assoziieren wir mit dem Begriff eine Geburt, die komplikationslos, schnell und möglichst schmerzarm vor sich geht.
In der Geburtshilfe bezeichnet die sanfte Geburt jedoch ein umfassenderes Konzept: Noch vor wenigen Jahrzehnten war in den Industrieländern, bis auf wenige Ausnahmen, der einzig mögliche Ort für eine Geburt das Krankenhaus.
Entspannung spielt eine entscheidende Rolle
Mutter und Kind fanden sich darin nur allzu oft in einer unpersönlichen, hoch technisierten Atmosphäre wieder. Die Individualität jedes Geburtsprozesses wurde „medizinischen Standards“ und „Effizienzkriterien“ geopfert.
Ein Umdenken auf breiter Basis setzte sowohl bei den Geburtshelfern als auch bei den Frauen selbst seit dem Beginn der 1970er Jahre ein. Immer mehr Schwangere wünschten sich eine natürliche Geburt, bei der sie über ihr Verhalten, ihre Geburtsposition und ihren Rhythmus weitgehend selbst bestimmen konnten.
Schmerzmittel und andere medizinische Interventionen sollten dabei nur am Rande eine Rolle spielen. Stattdessen fanden in der Geburtshilfe in immer größerem Umfang naturheilkundliche Methoden Verwendung.
Heute ist eine sanfte Geburt sowohl in Geburtshäusern als auch in Krankenhäusern möglich. Sofern es der Verlauf der Schwangerschaft sowie der Geburtsverlauf erlauben, richten sich Ärzte und Hebammen dabei weitgehend nach dem Wunsch der Mutter.
Sanfte Geburt – ein Initiationsprozess
Von den Vertretern einer sanften Geburt wird der Geburtsvorgang als ein Initiationsprozess betrachtet, den Mutter und Kind so ungestört wie möglich durchlaufen sollten. Die Geburt sollte für beide daher so ungestört wie möglich vor sich gehen. Schmerzen werden durch Atem- und Entspannungstechniken, individuelle Geburtspositionen oder Hypnose minimiert.
Auch Wissen aus der asiatischen Naturheilkunde oder von indigenen Völkern findet je nach Ausbildung der Geburtshelfer bei einer sanften Geburt Verwendung. Oft verbindet sich mit einer sanften Geburt auch eine spirituelle Komponente.
Ihr Konzept geht auf den französischen Gynäkologen Frédérick Leboyer (*1918) zurück, der sich dabei zunächst auf die Befindlichkeit des Neugeborenen fokussierte, das durch eine insgesamt sehr behutsame Behandlung, eine entsprechende Atmosphäre im Geburtsraum und vor allem durch den sofortigen intensiven Körperkontakt zur Mutter einen sanften Übergang in die Außenwelt haben sollte.
Für Mutter und Baby bietet eine sanfte Geburt im Verständnis Leboyers, vom Moment des ersten direkten Kennenlernens an, die Möglichkeit einer gesunden und tiefen Bindung.
Die Geburtsposition – entscheidende Rolle für eine harmonische Geburt
Als übliche Geburtsposition wurde lange die Rückenlage im Bett betrachtet. Natürlicher und sanfter ist jedoch eine aufrechte Position – Sitzen, Knien, Hocken oder Stehen. Auch gegen ein Herumgehen der Mutter während der Eröffnungsphase ist nichts einzuwenden. Durch die aufrechte Körperhaltung drückt das Gewicht des Babys und des Uterus´ nach unten, was die Öffnung des Muttermundes unterstützt.
Die Kontraktionen der Gebärmutter sind in solchen Positionen stärker, während der Austreibungsphase hat die Gebärende größere Kraft zum Pressen. Auch der Aufenthalt im Wasser kann eine sanfte Geburt maßgeblich unterstützen. Dass Komplikationen seltener sind, wenn Frauen über ihre Geburtsposition selbst entscheiden dürfen, wurde in verschiedenen Studien nachgewiesen.
Aktive Geburtsvorbereitung – zur Schmerzvorbeugung wichtig
Schwangere, die sich auf ihre Entbindung in optimaler Weise vorbereiten und die körperlichen Vorgänge dabei umfassend kennen, haben weniger Angst davor. Während der Geburt können sie sich besser entspannen und leiden weniger Schmerzen.
Große Angst vor der Geburt setzt dagegen einen Teufelskreis in Gang – sie führt zu Verkrampfungen, einer stärkeren Ausschüttung von Stresshormonen und schlechterer Durchblutung. Als Folge davon intensiviert sich auch der Schmerz.
Für eine sanfte Geburt finden verschiedene Methoden der natürlichen Schmerzlinderung Verwendung, die ebenso wie mögliche Geburtspositionen in den Geburtsvorbereitungskursen vermittelt werden:
- Eine richtige und gezielte Atmung unterstützt eine sanfte und schmerzarme Geburt: Durch sie wird die Sauerstoffsättigung im Körper verbessert, was auf physischer Ebene zur Entspannung beiträgt.
- Entspannungs- und Lockerungsübungen lindern bereits während der Schwangerschaft Ängste und Beschwerden. Während der Entbindung sorgen sie dafür, dass die Gebärende sich nicht verkrampft, Schmerz und Angst also nicht die Oberhand gewinnen.
- Einige Yoga-Übungen dienen auf körperlicher und mentaler Ebene ebenfalls der Vorbereitung auf eine sanfte Geburt. Die Schwangere lernt dabei beispielsweise, während der höchsten Anspannung des Uterus´, ihren restlichen Körper zu entspannen, ihre Energie zu fokussieren und auf der mentalen und emotionalen Ebene „loszulassen“. Das übergreifende Moment ist jeweils eine konzentrierte Atemtechnik.
Hypnobirthing – Tiefenentspannung und die Kraft der Psyche
Viele moderne Methoden der Angst- und Schmerzvermeidung während der Geburt gehen auf den britischen Geburtshelfer Grantly Dick-Read (1890 – 1959) zurück, der dafür ein System der pränatalen (vorgeburtlichen) Psychoprophylaxe entwickelt hat.
Dick-Read spricht in diesem Zusammenhang vom Verspannungs-Angst-Schmerz-Syndrom, das durch körperliches und seelisches „Training“ der werdenden Mutter verhindert werden muss. In den USA wurde daraus die Methode des sogenannten Hypnobirthing entwickelt, die inzwischen auch im deutschsprachigen Raum immer mehr Verbreitung findet.
In speziellen Geburtsvorbereitungskursen erlernen die Schwangeren dafür unter anderem Techniken zur Selbsthypnose. Im Kern geht es bei Hypnobirthing darum, die psychischen und physischen Kräfte der Frau für Tiefenentspannung und eine positive Geburtserwartung zu mobilisieren.
Eine sanfte Geburt durch Hypnobirthing kann die Geburtsdauer stark verkürzen, Schmerzmedikamente werden kaum oder gar nicht nötig.
Sanfte Geburt – wünschenswert, jedoch mit Grenzen
Auch eine sanfte Geburt kann jedoch an ihre Grenzen kommen. Wo diese liegen, bestimmen Sie bei einer komplikationslosen Geburt zunächst vor allem selbst. Das Versprechen einer fast schmerzfreien Geburt erweist sich jedoch fast immer als ein Mythos. Falls Sie sich während der Geburt dafür entscheiden, zu starke Schmerzen mit schulmedizinischen Mitteln zu bekämpfen, ist dies keine moralische Entscheidung.
In einem solchen Fall tun Sie das, was für Sie – und auch für Ihr Kind – das Beste ist. Ihr Arzt oder Ihre Hebamme werden Sie auch hier beraten. Bei Komplikationen verbietet sich der Verzicht auf medizinische Maßnahmen oder Schmerzmedikamente mindestens zum Teil von selbst.
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Fazit
- Bei einer sanften Geburt wird auf Schmerzmedikamente und medizinische Interventionen weitgehend verzichtet
- Zur Schmerzlinderung kommen dabei natürliche Methoden – individuelle Geburtspositionen, Atem- und Entspannungstechniken oder Hypnotherapie – zum Einsatz
- Die Voraussetzungen für eine sanfte Geburt werden durch entsprechende Geburtsvorbereitungskurse bereits in der Schwangerschaft geschaffen
Dieser Artikel wurde von unserem Expertenteam geprüft.