Geburt: Krankenhaus, Geburtshaus oder doch zuhause?
Viele Dinge bekommen in der Schwangerschaft plötzlich eine höhere Priorität als noch vor einigen Monaten. Da hat es Sie vielleicht noch gar nicht so interessiert, ob man sich im hiesigen Krankenhaus nur den Blinddarm entfernen lassen kann oder ob es dort auch einen Kreißsaal gibt. Oder ob Ihre Stadt ein Geburtshaus hat. Gibt es in Ihrem Wohnort auch Hebammen, die Hausgeburten betreuen? Es geht also um eine der wichtigsten Entscheidungen der Schwangerschaft: Die, wo Ihr kleiner Bauchbewohner geboren werden soll.
Wo kommen die meisten Babys zur Welt?
In Deutschland kommen 98,3% der Kinder in Krankenhäusern zur Welt. Etwa 1,7% erblicken hierzulande zu Hause oder im Geburtshaus das Licht der Welt. Damit liegen wir weit abgeschlagen z.B. hinter den Niederlanden, die eine Hausgeburtsrate von 30% haben. Generell stellt sich also die Frage, Geburt in der Klinik, einem Geburtshaus oder zu Hause?
Geburt im Krankenhaus: Vor- und Nachteile
Findet die Geburt Ihres kleinen Schützlings in einem Krankenhaus statt, können Sie je nach Klinik das größtmögliche medizinische und technische Equipment in Anspruch nehmen. Gibt’s überall das gleiche? Im Wesentlichen schon. Feinabstufungen sind durch die ständige Anwesenheit von Fachärzten für Frühgeborene und eine Neugeborenen-Intensivstation trotzdem vorhanden (zu erkennen an der Deklarierung Level I oder Level II-Zentrum).
Beste medizinische Hilfe vor Ort
Während der Geburt in einer Klinik können Sie Schmerzmittel bekommen, bis hin zu einer annähernden Schmerzausschaltung durch eine Rückenmarksnarkose (PDA). Sollten Komplikationen auftreten bei denen Sie oder Ihr Baby medizinische Hilfe brauchen, ist diese im Krankenhaus sofort vor Ort. Wer Ihnen die Tür öffnet, wenn Sie zur Geburt kommen, wissen Sie vorher natürlich nicht. Auch nicht, ob Sie diese Hebamme/den Arzt mögen und die Chemie zwischen Ihnen stimmt.
Nur Krankenhausroutine für Mitarbeiter und Ärzte?
Ebenfalls nachteilig kann sein, dass Sie als Gebärende – also als Frau in einem besonderen, aber normalen Zustand – Teil der Krankenhaus-Routine werden. Schichtwechsel, Klinikstandards und Zeitdruck können das Geburtsgeschehen empfindlich stören. Die Kreißsaal-Teams bemühen sich natürlich trotzdem um eine angenehme, gemütliche Atmosphäre und gehen auf Ihre Wünsche ein. Sich den Ort des Geschehens bei einer Kreißsaal-Führung vorher anzuschauen, ist zu empfehlen, denn nur so können Sie einen eigenen Eindruck gewinnen. Das Bauchgefühl sollte stimmen. Tut es das nicht, schauen Sie sich die nächste Klinik an. Mit einem halbmulmigen Gefühl gebärt es sich nämlich gar nicht gut.
Kann ich meine Hebamme mit ins Krankenhaus nehmen?
Manche Kliniken bieten auch die Möglichkeit, eine Beleghebamme dorthin mitzubringen. Das ist eine freiberuflich arbeitende Hebamme, die einen Vertrag mit einer Klinik hat. Sie darf dann „ihre“ Paare selbstständig im jeweiligen Krankenhaus betreuen und bei der Geburt helfen. Unabhängig vom Schichtdienst und anderen Gebärenden des Krankenhauses.
Eine Beleghebamme betreut sie auch bereits während der Schwangerschaft und wird von Ihnen angerufen, wenn Sie Wehen bekommen. Es ist „Ihre“ persönliche Hebamme. Sie begleitet Sie während der gesamten Geburt in der Klinik. Eine tolle Möglichkeit, weil Sie beide ein Vertrauensverhältnis verbindet und eine Ihnen bekannte Fachfrau in den unbekannten Kreißsaal-Räumen Ruhe und Sicherheit gibt.
Ein Haus für die Geburt – Gebären im Geburtshaus
Wenn Sie sich nicht damit anfreunden können, Ihr Kind zu Hause zu bekommen, ein Krankenhaus aber auch nicht Ihrem Geschmack entspricht, könnte ein Geburtshaus die richtige Wahl sein. Können Sie sich gar nichts darunter vorstellen?
Also: Geburtshäuser werden von Hebammen geleitet. Die Räumlichkeiten sind meist wie Wohnräume eingerichtet und sollen eine Wohlfühl-Atmosphäre schaffen. Klinik-Alltag finden Sie hier keinen. Aber auch keine Klinik-Technik oder Medikamente. Dafür höchste Hebammen-Kunst, die Ihr Handwerk bis ins Kleinste beherrscht und Hände, die oft magisch erscheinen.
Die Hebammen des Geburtshauses können Sie vom ersten Tag der Schwangerschaft, über die Geburt bis weit ins erste Lebensjahr Ihres Babys begleiten. Sie lernen Sie meist sehr gut kennen, wissen, was Ihnen während der Geburt wichtig ist und unterstützen Sie in dem Wunsch, aktiv und selbstbestimmt zu gebären.
Wo wir schon bei einem wesentlichen Vorteil wären: Sie kennen alle Beteiligten und Sie wissen genau, wer helfen wird, Ihr Baby zu gebären. Dieses über Monate gewachsene Vertrauen zu Ihrer Hebamme ist überaus hilfreich!
Hausgeburt: Wie sicher ist das für Mutter und Baby?
Hausgeburten sind bei uns nicht mehr so alltäglich wie sie es einmal waren. Hört man heute jemanden von seiner Hausgeburt erzählen, wird demjenigen meist wenig Sicherheitsbedürfnis bescheinigt: „Macht man das heute noch? Wow, ihr seid ja mutig.“ Warum mutig? Sind Hausgeburten ein Wagnis um Leib und Leben von Mutter und Kind? Nein. Hausgeburten sind sicher. Erwiesenermaßen genauso sicher wie eine Geburt in der Klinik. Die genauen Zahlen, Fakten und eine große Studie finden Sie unter www.quag.de.
Voraussetzung: Sie sind gesund, Ihr Kind entwickelt sich während Ihrer Schwangerschaft problemlos und Sie fühlen sich wohl. Dann spricht nichts dagegen.
Welche Vorteile hat eine Hausgeburt?
Zu Hause haben Sie den entscheidenden Pluspunkt, dass Sie in Ihrer ganz eigenen, bekannten Umgebung sind. Sie sind nicht irgendwo Gast. Denn auch in der tollsten Klinik der Welt fühlt man sich anders als zu Hause. Da Geburt mit Entspannung, Loslassen und Verstand ausschalten zu tun hat, ist das eigene Zu Hause dafür sicher am geeignetsten. Eine absolute Privatgeburt!
Was ist wenn es Komplikationen bei der Hausgeburt gibt?
Was ist zu Hause nicht möglich? Schmerzmittel zum Beispiel. Allerdings ist auch bewiesen, dass Gebärende zu Hause signifikant weniger davon benötigen. Die Umgebung tut wohl ihr Gutes. Ärzte sind auch keine zugegen. Ja, das ist so.
Aber wenn was ist?? Dann werden Sie von Ihrer Hebamme in ein nächstgelegenes Krankenhaus verlegt, um die Geburt dort zu vollenden. Und zwar in den meisten Fällen nicht so, dass ein Notfall vorliegt und mit wehenden Fahnen aufgebrochen werden muss, sondern in Ruhe mit Ihrem eigenen Auto. Sollte doch ein Notfall vorliegen, werden Notarzt und Rettungswagen alarmiert.
Woher bekomme ich eine Hebamme?
Eine Hebamme, die Hausgeburten begleitet und im Übrigen auch welche für Wochenbettbetreuungen, Kurse etc., finden Sie über www.hebammensuche.de. Wichtig ist, dass Sie sich möglichst frühzeitig in der Schwangerschaft kennenlernen, um sich miteinander vertraut zu machen. Die Chemie muss stimmen! Über die Monate hinweg wird sie Sie und auch ein bisschen schon Ihr Baby im Bauch kennenlernen, Vorsorge-Untersuchungen durchführen, für Fragen, Sorgen, Ängste da sein und eine Vertraute werden.
Wie Sie sich auch entscheiden, was können Kriterien sein?
- Ihr Wunsch: Als Allererstes und wichtigstes zählt – wie immer – Ihr persönlicher Wunsch. Schließlich sind Sie und Ihr Baby die Hauptakteure der ganzen Veranstaltung. Wo möchten Sie sein, wenn es darum geht, mit Schmerzen zurecht zu kommen, sich aber zwischendurch auch größtmöglich zu entspannen. Geburt hat im hohen Maß mit Fallenlassen zu tun. Das kann nicht jeder an jedem Ort. Daher sollten Sie für sich überlegen, wohin ihr Bauchgefühl sie treibt.
- Ihre Schwangerschaft: Wenn Sie eine komplikationslose Schwangerschaft haben, es Ihnen gut geht und Sie keine Vorerkrankungen haben (dazu zählen z.B. Bluthochdruck, Diabetes oder Erkrankungen des Kindes), können Sie sich ganz frei entscheiden, wo Sie gebären. Auch eventuell vorausgegangene Schwangerschaften und Geburten sollten komplikationslos verlaufen sein. Ist Ihre aktuelle Schwangerschaft nicht problemlos, kann eine Geburt im Krankenhaus ratsam sein. Dies sollten Sie individuell mit Ihrer Hebamme und Ihrem Frauenarzt besprechen.
- Ihr Wohnort: Wohnen Sie absolut jenseits von einem Krankenhaus, ärztlicher Versorgung und würde es dadurch viel zu lange dauern, bis beides erreicht wäre, sollten Sie sich nicht für eine außerklinische Geburt entscheiden. Auch wenn Notfälle selten sind, ist das kein Grund, fahrlässig zu werden. Die Sicherheit außerklinischer Geburtshilfe kommt auch daher, dass nur Schwangere ohne Komplikationen zu Hause betreut werden und eine gute Zusammenarbeit und Logistik mit Krankenhäusern herrscht, wenn eine Verlegung erfolgt.
Ist das denn so wichtig, wo man geboren wird?
Auch das Baby ist Teil der Geburt. Es macht denselben Weg durch wie Sie. Es ist bis heute nicht eindeutig geklärt, was die eigene Geburt in das Unterbewusstsein eingebaut wird. Interessieren Sie sich weiterführend, lesen Sie doch einmal Michel Odent „Die sanfte Geburt“.
Das Ergebnis Ihrer Überlegungen, wo Sie Ihr Baby gebären möchten, ist auch für Sie eine wichtige Sache. Ob Sie hinterher sagen: „Ich habe unser Kind in Klinik xy geboren und hatte ein wunderbares Geburtserlebnis.“ oder „Unser Baby kam in unserem Wohnzimmer auf die Welt und das war toll.“, ist erst einmal ganz egal. Denn Sie allein mit Ihren Bedürfnissen, Gefühlen und Vorstellungen zählen!
Wichtig ist nur: Selbst wenn Sie schon einmal oder mehrfach geboren haben, Sie werden diese eine Geburt niemals vergessen, sie wird für immer ein elementarer Teil Ihres Lebens sein. Positiv wie negativ. Und deshalb lohnt es sich ganz bestimmt, eine informierte Entscheidung zu treffen, was für Sie ganz persönlich der beste Ort ist, Ihr Kind zu gebären.
Ganz bewusst noch einmal: SIE gebären aus Ihrer Kraft, aus Ihrem Körper Ihr kleines Zauberwesen. Aktiv! Dafür haben Sie den Ort verdient, der Sie in dieser Kraft bestärkt. Wo das ist, sagen Ihnen Ihr Bauch und Ihr Herz.
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