Rationales Verständnis kann dazu beitragen, Ängste zu besiegen – In der Dunkelheit lauern Monster, Blitz und Donner sind zum Fürchten: Kinderängste sind vielseitig, aber normal. Während einige Ängste einen realen Ursprung haben, entstammen andere einem Produkt der Fantasie – Kinder lernen noch, beides zu unterscheiden.
Kinderängste mit realem Bezug
Ihr Baby hört erstmals das Brummen des Staubsaugers, erschrickt und fängt an zu weinen. Im Kleinkindalter löst das Donnern eines Gewitters Angst aus und fremde Männer mit Hut sind unheimlich. Auch die ersten Tage in der Kinderkrippe oder im Kindergarten können ängstigen: Ihr Kind befindet sich plötzlich in einer fremden Umgebung unter fremden Menschen.
Es vermisst Sie und fürchtet vielleicht, Sie kommen gar nicht mehr wieder.
All diese Kinderängste haben einen realen Ursprung. Ob sie rational begründet sind, ist unerheblich. Ertönt regelmäßig das Brummen des Staubsaugers, gewöhnt sich Ihr Baby daran und stellt fest, dass nichts passiert. Ihr Kind merkt irgendwann, dass fremde Männer mit Hut ihm nichts tun und erfährt, dass Sie es immer wieder aus der Kita abholen.
Derartige Ängste können ebenso unterschiedlich sein wie die Gründe. Sie unterscheiden sich je nach Alter, Individualität und Erfahrungen des Kindes.
Der Fantasie entsprungen
Im Kinderzimmer geht das Licht aus und die Schatten in den Winkeln wirken, als würden sie sich bewegen.
Sicher ist das ein Monster: Ihr Kind hat Angst vor einem Fantasieprodukt.
Ebenso fantastisch ist die Ursache, wenn ein Kind Angst hat, dass nach dem Verschlucken eines Apfelkerns ein Apfelbaum in seinem Bauch wächst oder die böse Hexe kommt, wenn es ungehorsam war.
In den ersten Lebensjahren können Kinder noch nicht unterscheiden, was real ist und was ihrer Fantasie entstammt, auch solche Ängste sind daher ernst zu nehmen. Sie legen sich mit zunehmender Entwicklung des Wahrnehmungs- und Unterscheidungsvermögens.
Angstqualität
Angst an sich ist instinktiv veranlagt und kann durchaus sinnvoll sein: Angst vor dem Feuer, Angst vor Einbrechern und Angst vor schnell vorbeifahrenden Autos mahnt zu einer gesunden Vorsicht in verschiedenen Lebenssituationen.
Daneben gibt es Kinderängste, die aus traumatischen Erfahrungen resultieren oder anerzogen wurden. Eine negative Erfahrung wie ein Hundebiss kann dazu führen, dass sich ein Kind künftig vor allen Hunden fürchtet, die Angst hat also eine traumatische Ursache.
Übervorsichtige Eltern können ihrem Kind regelrecht Ängste einpflanzen: Ein Kind bewegt sich auf dem Spielplatz unbeschwert und mit sicheren Bewegungen auf dem Klettergerüst. Es hat keine Angst, bekommt aber fortlaufend die Sorgen der Eltern zu hören, dass es herunterfallen und sich wehtun könnte. Dies kann zu Unsicherheit und im Extremfall dazu führen, dass das Kind selbst Angst entwickelt.
Der ständige Satz „Du musst keine Angst haben“ kann ebenfalls dazu führen, dass eben diese entwickelt wird. Ist ein Kind einer Situation zunächst völlig unbedarft gegenübergetreten, wird es nun verunsichert, die Selbstsicherheit kann in Angst umschlagen.
Natürlich soll Ihr Kind nicht freudig auf jeden fremden Hund zurennen und beim Klettern aufpassen. Es muss lernen, mit seinen Ängsten, gleich welchen Ursprungs, umzugehen und sich gewisser Gefahren im Leben bewusst zu werden. Es muss Erfahrungen sammeln können, welche Ängste begründet und welche unbegründet sind.
Ängste, deren Gegenstand der Fantasie entstammt, sind ebenso wie real begründete Kinderängste ein wichtiger Schritt auf diesem Weg.
Übertriebene Angst hingegen, in die es sich hineinsteigert, kann langfristig die Lebensqualität einschränken und krankhaft werden. Ebenso ungesund ist das andere Extrem, denn ein Kind, das überhaupt keine Ängste kennt, weiß kritische Situationen nicht einzuschätzen und kann sich in Lebensgefahr begeben.
Umgang mit Kinderängsten
Angst ist also bei Kindern normal, ebenso normal sollte mit ihr umgegangen werden. Das ist Aufgabe der Eltern: Sie haben eine Vorbildfunktion und können gleichermaßen Ängste lindern wie schüren.
Es ist stets wichtig, dass Sie Ihr Kind ernst nehmen und ihm in Situationen, die es ängstigt, beistehen, ohne jedoch seine Angst zu verstärken. Fürchtet es sich vor den Monstern in der Dunkelheit, kann ihm ein kleines Nachtlicht helfen. Sie können auch in einem abendlichen Ritual das Fenster öffnen und alle Monster verscheuchen, bevor Sie das Licht ausmachen.
Worte wie „Es gibt keine Monster“ helfen nicht, denn für Ihr Kind sind sie ebenso real wie die Angst aus seiner Sicht gerechtfertigt ist.
In anderen Situationen, beispielsweise bei dem furchterregenden Grollen eines Gewitters, können Sie Ihr Kind in den Arm nehmen und mit ihm über seine Angst sprechen. Das Gefühl von Geborgenheit vermittelt Sicherheit. Je nach Alter können Sie auch erklären, warum es donnert und blitzt.
Rationales Verständnis kann dazu beitragen, Ängste zu besiegen.
Ebenfalls kann es hilfreich sein, von Situationen zu erzählen, in welchen Sie selbst als Kind Angst hatten und wie Sie diese überwunden haben. So fühlt es sich verstanden, erfährt, dass seine Angst etwas ganz Normales ist und dass es möglich ist, damit fertig zu werden.
Eine weitere Möglichkeit ist der kreative Umgang mit der Angst. Lassen Sie Ihr Kind aufmalen, vor was es sich fürchtet und sprechen Sie anschließend mit ihm darüber. Auch Rollenspiele können der Angst Ausdruck verleihen und bei der Bewältigung helfen.
Ihr Kind benötigt zwar Verständnis und Geborgenheit, keinesfalls aber eine Bestätigung oder Intensivierung seiner Ängste. Hier gilt es, ein gesundes Mittelmaß zu finden. Indem Sie Ihr Kind überbehüten, lernt es allenfalls, dass die ganze Welt gefährlich ist.
Angst gehört zum Leben
So, wie der Körper bei einer Infektionskrankheit mit Fieber reagiert, um die Erreger zu bekämpfen, oder bei einem Knochenbruch mit Schmerzen signalisiert, dass etwas nicht stimmt, sorgt Angst für ein angemessenes Verhalten in gefährlichen Situationen.
Sie kann verhindern, zu Fremden ins Auto zu steigen, zu weit hinaus zu schwimmen, auf die heiße Herdplatte zu fassen, die brennende Kerze unbeaufsichtigt stehen zu lassen und unachtsam auf eine befahrene Straße zu rennen.
In der kleinen Kinderwelt lösen andere Dinge Ängste aus. Das führt im Idealfall dazu, sich ihnen zu stellen, Methoden zu entwickeln, Unsicherheiten zu bewältigen und letztendlich zu wissen, wann tatsächlich Gefahr droht.
Krankhafte Angst
Bedenklich wird es, wenn sich Kinder derart in ihre Ängste hineinsteigern, dass obiger Lernprozess gestört ist. Es ist dann nicht mehr möglich, sich ihnen mit gesundem Selbstvertrauen zu stellen, Panik und ernsthafte Phobien können die Folge sein.
Bemerken Sie bei Ihrem Kind ein auffälliges Verhalten wie Zurückgezogenheit, das Meiden bestimmter Situationen oder auch Aggression, kann das ein Zeichen für unausgesprochene Ängste sein. Auch Schlafstörungen sowie häufige Bauch- oder Kopfschmerzen können durch Ängste ausgelöst werden.
Scheuen Sie sich nicht, in einem solchen Fall einen Arzt und einen Kinderpsychologen hinzuzuziehen. Dasselbe trifft zu, wenn Sie feststellen, dass Sie Ihrem Kind bei bestimmten Ängsten nicht helfen können. Unüberwundene, verschleppte Kinderängste führen schließlich zu einer krankhaften Ausprägung.
Eine Phobie ist weitaus schwerer zu bewältigen, als frühzeitig den Umgang mit Ängsten zu lernen.
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Fazit:
- Angst ist kein Makel
- Irrationale Ursachen zu erkennen
- Ängste auszudrücken
- Sich in Gefahrensituationen richtig zu verhalten
- Methoden zur Bewältigung zu entwickeln
- Mit inneren Konflikten umzugehen